Die Rote
Unsere liebe Fuchsi ist am 3. November 2004 als 34 Jahre alte Pferdedame für immer in den Pferdehimmel gegangen.
Wir hatten sie vor 18 Jahren von einem Reit- und Turnierstall gekauft.
Das Leben meinte es nicht gut mit ihr bis...
"Sylvia, schau da ist ein neues Pferd", eine große kräftige Fuchsstute stand in ihrer Box, wippte nervös mit dem Kopf und wiegte ihren Körper hin und her. Wir wollten wissen woher dieses Pferd kam und was mit ihm geschehen sollte. Wir suchten Herrn A., den Besitzer des Stalles und erfuhren, dass die große Rote, so wurde sie genannt, einem bekannten Springreiter gehört hatte. Sie ging Mächtigkeitsspringen. Die Hindernisse bei solchen Springen sind bis zu 2,5 m hoch - schrecklich. Warum sie verkauft wurde wissen wir nicht. Wahrscheinlich brachte sie nicht mehr genug Leistung, taugte nicht zur Zucht und damit war Ihr Schicksal besiegelt: Es folgte der Verkauf an einen Pferdehändler. Von dort kaufte Herr A. das Tier, um es im Schulbetrieb laufen zu lassen oder aber mit ihr Fohlen zu ziehen. Fuchsi - Die Rote
Sylvia und ich beschlossen, die Rote nicht mehr aus den Augen zu lassen und auf sie aufzupassen. Wir waren jeden Tag im Reitstall, hatten wir doch schon Hansi, Mephisto und Aloha von dort gekauft. Pferde, die ohne uns mit Sicherheit nicht gutes zu erwarten hatten und deren Weg zu guter Letzt zum Schlachter führt. Weil sie ihren Besitzern nicht mehr zum Spaß dienen konnten, aus Altersgründen oder weil man ihnen nicht genug Zeit ließ eine Verletzung auszuheilen. Leider gibt es noch viele andere Gründe mehr.
Ein Leben ohne Reiter können oder wollen die meisten Pferdebesitzern ihren treuen Kameraden nicht bieten.
Die Rote ging in den Schulbetrieb. Sie war nervös und hippelig, die Reitschüler waren nicht glücklich mit ihr. Deshalb stellte Herr A. sie auf die Weide, um mit ihr ein Fohlen zu ziehen. Aber das total verängstigte und verstörte Pferd nahm nicht auf. So ging es zurück in den Schulbetrieb. Die Stute litt furchtbar. In den wenigen Momenten, in denen wir bei ihr waren, sie streichelten und versprachen sie zu retten, wurde sie ganz ruhig und zufrieden.
Eines Morgens als ich zu ihr kam, sah ich mit Entsetzen, dass ihr Widerrist blutig und wund war. Wir reinigten und verarzteten die Wunden. Ein junges Mädchen kam mit ihrem Sattel und wollte die Rote in den Schulbetrieb holen. Wir erklärten dem Mädchen, wie unmenschlich es sei, ein Pferd in diesem Zustand reiten zu wollen. Sie reagierte erschrocken und sagte, niemals darüber nachgedacht zu haben. Von da an dachte Sie! Nun mussten wir schnell und mit viel Diplomatie handeln. Wir bitteten und bettelten Herrn A. er möge uns die Rote verkaufen. Er sollte doch mal überlegen: Als Schulpferd taugte sie für ihn nicht und beim decken nahm sie nicht auf. Also konnte er auch kein Fohlen mit ihr ziehen. Wir hingegen blieben als zahlende Kunden. Herr A. war kein Böser. Die Situation mit der Roten war auch für ihn nicht in Ordnung. Seinen Schulpferden ging es gut - falls es Schulpferden überhaupt gut gehen kann. Er tat alles für sie und versorgte sie gut. Für 4000.- DM konnten wir die Rote kaufen. Dies taten wir dann auch ganz schnell. Nun hatten wir Hansi, Mephisto, Aloha und die Rote. Es folgten Heinrich, Silas und Dalida. Alles Pferde mit einem traurigen Schicksal. Wir konnten sie auffangen und ihnen Liebe und ein artgerechtes Leben schenken. Lange standen wir nicht mehr bei Herrn A. im Reitstall. Sieben Pferde hatten wir nun. Es war an der Zeit einen eigenen Hof zu haben. Fuchsi - Die Rote
So kamen wir in den Hunsrück und der Gnadenhof wurde geboren. 15 Jahre ist es nun her. Die Rote, wir nannten sie Fuchsi, hatte noch ein wunderschönes Leben. Ihr Vertrauen zu uns war grenzenlos. Wir sind gemeinsam durch flatternde Bänder, über knisternde Plastikplanen und durch Wasser gegangen. "Vertrauen lernen" nannten wir das. Nervös war sie nicht mehr. Eine gute Freundin fand sie in Aloha. Aloha, die viel jünger war, beschützte Fuchsi vor allem und war stets an ihrer Seite. Die Jahre vergingen. Aus Fuchsi wurde ein ganz altes Pferd. 34 Jahre war sie nun. Eines Tages legte sie sich in ihren Stall, wollte nicht mehr aufstehen. Wir begriffen, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Immer wieder hob sie ihren Kopf, als wollte sie sehen, dass wir auch alle da waren. Aloha, Mascha, Sylvia, Boris, mein Mann und ich. Leise, ganz leise und ruhig ist sie dann in den Pferdehimmel gegangen. Dieses liebe Tier wird immer in unserem Herzen sein. Lange, ganz lange tat es sehr weh. Die Weidesaison hat wieder angefangen. Wir sind auf dem neuen Hof. Aloha hat nach langer Traurigkeit eine neue Freundin: Marina. Als die Pferde heute auf die Wiese galoppierten, kam Aloha wieder zurück, suchte mit wachem Blick die Wiese ab und wieherte. Ganz so hatte sie es getan als Fuchsi noch lebte. Das alte Mädchen konnte ihr nicht so schnell folgen. Dann trabten sie gemeinsam weiter. Ich sitze hier und schreibe das erlebte für unser Heftchen. Mein Herz tut weh und die Tränen laufen. Ich bin traurig und dankbar und auch glücklich, dass der Gnadenhof mit Ihnen an unserer Seite den armen und gequälten Tieren, die keiner mehr will, noch eine schöne Zeit, in der sie wieder Vertrauen zu uns Menschen lernen, geben kann. Wir können nicht alles Leid der Welt lindern und nicht überall helfen.
Aber: Wo wir helfen können ist ein Anfang gemacht!